Die Fragestunde in der Ratssitzung am Donnerstagabend war länger als die vorgesehene eine Stunde, so groß war der Rede- und Informationsbedarf der Besucher. Daher war es nicht verwunderlich, dass die Aula der Mondorfer Realschule mit knapp 300 Besuchern bis auf den letzten Platz besetzt war.
Bürger-Fragen
Bürgermeister Matthias Großgarten begrüßte die Besucher und bat zugleich, Fragen zu stellen und keine Monologe zu halten, was aber von einigen Teilnehmern ignoriert wurde. Bei fast allen Wortmeldungen ging es um Bau und Standort der Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE), deren Pläne in einer Bürgerfragestunde in der letzten Woche vorgestellt wurden.
Bedenken zur Sicherheit
Wie schon in der Woche zuvor gab es auch diesmal viele Bedenken. Sicherheit war hier das Hauptthema. Es wurden Befürchtungen geäußert, dass sich die ZUE mit ihren max. 350 Bewohnern zu einem „Brennpunkt“ entwickeln könnte. Eine Anwohnerin äußerte Angstgefühle, ein anderer Anwohner fürchtete um den Wertverfall seiner Immobilie.
Als die Frage gestellt wurde, wie die Stadt die Niederkasseler Bevölkerung schützen wolle und sogar die Forderung nach einem Ausgangsverbot für die Bewohner der ZUE geäußert wurde, wurde es dem Beigeordneten Carsten Walbröhl zu viel. „Sie sprechen hier von Gewaltpotenzial und Brennpunkten. Wir haben seit langer Zeit Flüchtlinge untergebracht. Gut 350 Flüchtlinge im MOBAU und der Mondorfer Sporthalle. Da gab es nicht einen Vorfall nach außen. Wenn überhaupt, gibt es Konflikte innerhalb der Einrichtung“, so Walbröhl.
Wichtige wirtschaftliche Aspekte
Weiter sagte der Beigeordnete, dass er den Prozess angestoßen und sich für den Bau eingesetzt habe, da es seine Aufgabe sei, die Ausgaben der Stadt zu konsolidieren. „Wir sind in der Haushaltssicherung und müssen sparen. Die ZUE ist wichtig für uns, denn eine Unterkunft für 100 Personen kostet uns 1,7 Millionen Euro; Geld das wir nicht haben, sondern aufnehmen müssen. Das Land übernimmt die Kosten für den Bau einer ZUE für 350 Personen und die Kosten für Verpflegung, Sicherheit und Betreuung. Wir rechnen mit der Zuweisung von rund 100 Flüchtlingen bis Jahresende, die wir unterbringen müssen. Daher muss gehandelt werden“, so Walbröhl.
Zum Thema Sicherheit sagte BM Matthias Großgarten, dass man im engen Austausch mit der Polizei sei und die Bedenken der Bürger ernst nehme. „Die Stadt Niederkassel hat selbst ein hohes Sicherheitsinteresse. Bisher sind hier weit mehr als 1000 Personen untergebracht. Es gibt keine signifikante Bedrohung bzw. Kriminalität“, so Großgarten.
Meinung der CDU
Nach dem Ende der Fragestunde gingen etliche Besucher nach Hause, während viele noch bis zum Tagesordnungspunkt 7, der Abstimmung über die ZUE, blieben. Dano Himmelrath (CDU) sagte, dass man sich die Entscheidung nicht leicht gemacht habe. Er betonte, dass die Entscheidung für die ZUE vor allem auf wirtschaftlichen Erwägungen basiere. „Mit der Lösung, die wir heute beschließen, übernimmt das Land Nordrhein-Westfalen nicht nur die Baukosten, sondern auch den gesamten laufenden Betrieb. Dadurch bleiben uns potenzielle Ausgaben von rund 2,59 Millionen Euro pro Jahr erspart“, so Himmelrath. Weiter führte er an, dass die städtische Infrastruktur, das heißt Kitas und Schulen, entlastet würden, da die Kinder in der ZUE betreut und beschult würden.
Aufhorchen ließ die Wortmeldung von Marcus Kitz, dem stellvertretenden CDU-Fraktionsvorsitzenden aus Uckendorf. Er sagte, er werde dem Tagesordnungspunkt 7 nicht zustimmen, sondern sich enthalten. Langatmig führte er dann die Gründe für sein Abstimmverhalten an. Mehrmals betonte er, dass die Verwaltung rechtlich alles beachtet habe, aber das Grundstück nicht geeignet sei. Weiterhin bemerkte er, dass andere Grundstücke bestimmt besser geeignet gewesen wären und verwies auf die Sicherheitsbedenken Uckendorfer Bürger, die an ihn herangetragen wurden. Zudem liege der Eingang der ZUE zum Radweg nach Uckendorf, das Grundstück am Rand eines Kieslochs und in einem Kreuzungsbereich. Dieses St. Florians Prinzip hatten schon andere Bürger in der Fragestunde sich zu eigen gemacht und Plätze in Rheidt und Mondorf ins Spiel gebracht.
Meinung der SPD
Frieder Reusch (SPD) sagte, man sei verpflichtet, Menschen, die aus ihrer Heimat wegen Krieg, Tod, Folter, Hunger, Dürre, oder Armut flüchten, unterzubringen und zu versorgen. „In Niederkassel sind aktuell 600 Geflüchtete in städtischen Einrichtungen. Verteilt auf insgesamt 32 Standorte. Der MOBAU-Markt ist der größte. Weitere Standorte zu schaffen, wird immer schwieriger. Turnhallen dürfen nur eine Notlösung sein. Kitas und Schulen kommen an ihre Grenzen der Belastbarkeit. Die SPD-Fraktion wird der Einrichtung einer ZUE zustimmen und die berechtigten und sachlich vorgetragenen Forderungen der Bevölkerung dabei keineswegs aus den Augen verlieren“, so Reusch.
Meinung der FDP
Anette Wickel (FDP) sagte, dass man heute über das Schicksal von Menschen entscheide, die auf der Flucht seien und man die geäußerten Ängste und Befürchtungen in Teilen der Bevölkerung gegenüber den Flüchtlingen für unbegründet halte. „Pro Jahr entstehen der Stadt kalkulatorisch Kosten von 7.400 Euro pro Flüchtling. Durch die ZUE bleiben der Stadt zukünftig Ausgaben von 2,59 Millionen Euro erspart. Wir sind dem Wohl der Bürger unserer Stadt verpflichtet und werden zustimmen“, so Wickel.
Meinung von BN90/DIE GRÜNEN
Bei BN90/DIE GRÜNEN war man sich uneinig, was sich im Abstimmverhalten zeigte. „Mit der ZUE wollen wir eine gut organisierte, konstruktive Hilfe, eine 'vorübergehende Heimat' für die Schutzsuchenden schaffen. Die ZUE ist ein Weg, um diese Hilfe mit möglichst geringer kommunaler Belastung zu schaffen. Auch wenn die meisten Geflüchteten in der ZUE nur vorübergehend bei uns leben werden, wünschen wir uns, dass die ZUE in Niederkassel ein Ort des Rückzugs, der Erholung, des Kraft Schöpfens, des Austauschs und der Begegnung wird“, so Stephanie Mendl.
Da die GRÜNEN allerdings von der Verwaltung verlangten, einen Passus in der Beschlussvorlage zur „Leistungsbeschreibung Betreuung“ zu verankern oder sich ein Veto-Recht einräumen zu lassen, gab es einige Diskussionen. Dazu sagte Carsten Walbröhl, dass man die Leistungsbeschreibung nicht in den Vertrag aufnehmen könne, da dies ein Vergabeverfahren der Bezirksregierung Köln sei und die Stadt sich da nicht einzumischen habe. Die Aussage führte dazu, dass zwei Mitglieder der GRÜNEN sich bei der Abstimmung enthielten.
Ergebnis der Abstimmung
Bei der Abstimmung selbst stimmten 29 Ratsmitglieder mit ja bei vier Stimmenthaltungen und einer Neinstimme.