Gleich zu Beginn der Sitzung des Haupt-, Finanz- und Beschwerdeausschusses (HFB) wandte sich Bürgermeister Stephan Vehreschild mit ernstem Gesicht an die Ratsmitglieder. Seine Worte lösten bei manch einem, je nach Informationsstand, Erstaunen oder Erschrecken aus. „Der von uns aufgestellte Haushalt wird nicht genehmigt werden können. Für 2023 ergibt sich, trotz Anhebung der Grundsteuer B, ein Defizit von 16,9 Millionen Euro, was in den Folgejahren steigen könnte“, so der Bürgermeister.
Gründe für die Finanzsituation
Bisher, so Vehreschild, sei es trotz Millionendefiziten immer wieder gelungen, im Haushalt genehmigungsfähig zu handeln. Die explodierenden Energiekosten, weiter steigende Kosten durch die Flüchtlingskrise, geringere Schlüsselzuweisungen als erwartet, steigende Pflichtaufgaben und absolut notwendige erhebliche Investitionen in die Digitalisierung seien nur einige der Gründe, für die jetzige Finanzsituation.
Freiwillige Ausgaben auf dem Prüfstand
Weiter sagte Vehreschild, man werde sich zukünftig von liebgewonnenen Dingen verabschieden und unliebsame Entscheidungen treffen müssen. Sämtliche freiwilligen Ausgaben ständen auf dem Prüfstand, müssten zurückgefahren oder gar eingestellt werden. Auch gesetzliche Aufgaben werde man auf ein Mindestmaß zurückführen bzw. abschmelzen. Dieser Zustand der vorläufigen Haushaltsführung bleibt bis zur Genehmigung eines Haushaltes durch die Kommunalaufsicht bestehen.
Vehreschild stellte dann die hypothetische Frage, ob man sich eine Bücherei, die nur von 1,5 % der Niederkasseler genutzt werde, noch leisten solle. Das gleich gelte für die Musikschule, den jährlichen Zuschuß von 40.000 Euro für die Fahrradvermietung der RSVG-Bikes, für nur wenige Nutzer, und das stark defizitäre und renovierungsbedürftige Hallenbad. Auf den Prüfstand kommen auch die Niederkasseler Hefte und die Zuschüsse zu den Alters- und Ehejubiläen, Seniorenfesten und anderen Veranstaltungen. Das alles seien freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben, zu der die Stadt nicht verpflichtet sei.
Pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben
Im Gegensatz zu den pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben obliegt es der Stadt nicht, zu entscheiden, ob sie diese erfüllen möchte – lediglich das Wie darf sie selbst bestimmen. Zu diesen zählen beispielsweise der Katastrophenschutz, die Abwasserbeseitigung sowie der Bau und die Unterhaltung von Schulen und Kindergärten. Aber auch hier trägt die Stadt die finanzielle Verantwortung.
Konsequenzen für die Beschäftigten der Stadt
Erste Konsequenzen hat die Haushaltslage für die Beschäftigten der Stadt, denn es werde keine Beförderungen mehr geben und Stellen sollen erst später nachbesetzt werden. Auch bei kleinen Ausgaben wird nun gespart. So gibt es beim traditionellen Empfang der Niederkasseler Karnevalisten in der Ratssitzung keinen Imbiss mehr. „Wir bzw. Sie sind aufgerufen im Rahmen der Haushaltsberatungen alle Positionen auf den Prüfstand zu stellen und ggf. nach Alternativen zu suchen. Wir werden zusammenrücken und wir werden die vor uns liegenden Aufgaben bewältigen“, so der Bürgermeister.