Große Pläne haben die beiden Geschäftsführer des Chemiepark Lülsdorf, der seit knapp einem Jahr zur International Chemical Investors Group (ICIG) gehört. Rafael Reiser und Dr. Dirk Röttger warfen am Donnerstagnachmittag einen Blick zurück auf 111 Jahre Chemiestandort Lülsdorf. Angefangen vom Wildermann Werk bis zum letzten Eigentümer, der Evonik Industries, hat die Chemieindustrie den Standort Lülsdorf geprägt. Der geplante Verkauf des Lülsdorfer Werks der Evonik an die Firma PCC und deren Plan, eine Produktionsanlage für Ethylenoxid (EO) zu bauen, scheiterte nicht nur am Protest der Bevölkerung, sondern auch an der Ablehnung durch den Rat der Stadt Niederkassel.
Standort soll vergrößert werden
Mit dem neuen Käufer soll der Standort jetzt nicht nur erhalten, sondern mit Neuansiedlungen auch vergrößert werden. Dazu will man in den nächsten Jahren Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe tätigen. Dies ist auch eine gute Nachricht für die am Chemiestandort beschäftigten 530 Mitarbeiter, darunter 30 Auszubildende, für die zudem ein Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen bis 2032 besteht. Derzeit ist das Herzstück in Lülsdorf die Elektrolyse, die Alkoholate produziert, welche vielseitig eingesetzt werden können. Die Genehmigung für die Chlor-Alkali-Elektrolyse, bei der Quecksilber verwendet wird, läuft Aufgrund von EU-Auflagen 2027 aus. Wie es weitergeht und welche alternativen Herstellungsverfahren es gibt, soll bis 2025 entschieden werden. Geschäftsführer Reiser kam bei der Vorstellung dann aber schnell auf den Punkt. „Die chemische Industrie ist energieintensiv und die Strompreise belasten uns sehr. Wir in Lülsdorf haben einen jährlichen Stromverbrauch, der dem der Stadt Göttingen entspricht.
Höhere Energiekosten bedeuten Mehrkosten von zwei Millionen Euro
Der Chemiepark Lülsdorf verbraucht jährlich 200 Millionen Kilowattstunden (kWh). Bei einem Preisanstieg um einen Cent pro kWh bedeute das Mehrkosten von zwei Millionen Euro“. Er warf dann einen Blick nach Frankreich, wo die Kilowattstunde nur zehn Cent betrage, während in Deutschland die Unternehmen zwischen 17,6 und 21 Cent bezahlen müssten. Auch lobte er die Verlässlichkeit der französischen Regierung, die, im Gegensatz zu den Kehrtwendungen in der Ampel-Regierung, Planungssicherheit biete. Sein Fazit: Ohne Entlastung wird es die Branche irgendwann in Deutschland nicht mehr geben!
Erste Neuansiedlungen von Unternehmen bis Ende des Jahres geplant
Aufmerksam folgten Bürgermeister Matthias Großgarten, der 1. Beigeordnete Dr. Stephan Smith und Mitglieder der Ratsfraktionen den Worten, ohne allerdings hier helfen zu können. Trotz der Risiken wird in Lülsdorf für die Zukunft geplant und investiert. Große Flächen, die derzeit landwirtschaftlich genutzt werden, stehen für die Ansiedlung neuer Unternehmen zur Verfügung. Dafür wurde der Unternehmensberater Michael Rötepohl engagiert, der mit der Neuansiedlung und Entwicklung von Chemieparks bisher erfolgreich war. Er hoffe, so Rötepohl, dass der erste Vertrag Ende des Jahres unterzeichnet werden könne. Auch die hervorragende infrastrukturelle Anbindung des Werks mit Rhein, Schiene, Straße und Pipelines hob er positiv hervor.
ICIG
Die ICIG mit Sitz in Frankfurt und Luxemburg ist in den Sparten Chlorchemie und Spezialchemie tätig. Es ist eine Holding in privatem Eigentum und fokussiert auf mittelgroße Chemie- und Pharmaunternehmen, die von Unternehmen mit Konsolidierungsbedarf oder
Unternehmen, die von größeren Einheiten outgesourct werden. Sie ICIG wurde 2005 gegründet und hat 42 Produktionsstätten mit 6.200 Mitarbeitern in Europa und den USA. Der Umsatz liegt bei 4,5 Milliarden Euro.