„Er trägt die christlichen und sozialen Werte in sich, ist nahe am Bürger und kann strategisch denken und handeln. Dank seines beruflichen Werdegangs wird er die Stadt führen können“, so der ehemalige Bürgermeister Walter Esser bei der Nominierungsversammlung der CDU im Jahr 2008 über seinen designierten Nachfolger Stephan Vehreschild. Das sahen wohl auch die Bürger so, denn bei der Bürgermeisterwahl im Jahr 2009 setzte sich Vehreschild mit 54,4 % der Stimmen gegen seine beiden Mitbewerber durch. Aus gesundheitlichen Gründen muss Vehreschild nun sein Amt als Bürgermeister der Stadt Niederkassel aufgeben und wird mit Ablauf 31.12.23 in den Ruhestand gehen und das Amt an seinen Nachfolger Matthias Großgarten (SPD) übergeben. Vehreschild ist seit 2009 Bürgermeister in Niederkassel und seit 1999 für die CDU im Stadtrat. Der gelernte Tischlermeister war vor seiner Wahl zum Bürgermeister 22 Jahre lang Sicherheitsberater bei der Berufsgenossenschaft Holz in Köln. Seit 1988 lebt er mit seiner Familie in Niederkassel-Ranzel. Er ist verheiratet mit Ehefrau Hildegard und hat drei erwachsene Kinder und sechs Enkelkinder. Im Interview mit der Montagszeitung ließ Vehreschild noch einmal die letzten 15 Jahre Revue passieren.
machPuls: Werden Sie die Kommunalpolitik nicht vermissen?
Vehreschild: Die aktive politische Mitgestaltung werde ich sicher sehr vermissen. Der Kommunalpolitik bleibe ich natürlich erhalten, aber nicht mehr ganz vorne in der ersten Reihe. Wenn man mich fragt, werde ich sicherlich meine Erfahrungen einbringen und gerne auch die Niederkasseler Politik unterstützen.
machPuls: Sie blicken auf eine lange Amtszeit zurück. Was hat Sie zur Politik gebracht?
Vehreschild: Als meine Kinder in der Grundschule waren habe ich als Elternvertreter und als Gast an den Sitzungen der politischen Gremien teilgenommen. Dabei wurde bei mir die Leidenschaft für die aktive Politik geweckt. Infolgedessen habe ich nach einigen Jahren als sachkundiger Bürger 1999 erstmals für den Rat kandidiert. Für mich damals völlig überraschend, habe ich da auf Anhieb das Direktmandat für die CDU im Stadtteil Ranzel gewonnen. Aufgrund meiner intensiven Arbeit im Rat und den vielen von mir erfolgreich geführten schwierigen Sitzungen und Arbeitskreisen, hat mich dann 2009 der Ruf meiner CDU erreicht, als Kandidat für die CDU bereit zu stehen. Der weitere politische Weg ist bekannt. 2009 erstmals und 2014 und 2020 dann jeweils im ersten Wahlgang mit deutlicher absoluter Mehrheit in direkter Wahl von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt.
machPuls: „Wenn Du was erreichen willst, geh in die Politik.“ Würden Sie diesen Satz bestätigen?
Vehreschild: Absolut. Ich bin oftmals entsetzt, wie gerade und besonders in den „sozialen“ Medien geschimpft, gemeckert, beleidigt und die in Niederkassel ehrenamtlich tätigen Politiker beschimpft werden. Viele wissen vermeintlich alles besser, engagieren tun sich letztendlich die Wenigsten. Bedauerlich und befremdlich ist auch die immer weiter rückläufige Beteiligung an Wahlen. Meckern und schimpfen, möglichst noch anonym, ist immer einfach. Sich zu engagieren, Verantwortung zu übernehmen und auch dafür einzustehen erfordert dagegen Courage. Die vermisse ich ganz oft. Aber ohne Courage und Beherztheit geht es nicht. Daher gilt mein Dank all denen die sich für Niederkassel einsetzen und ihre Zeit und Leidenschaft einbringen.
machPuls: Was waren Ihre Hauptanliegen?
Vehreschild: Ich habe mich immer bemüht den Dialog mit allen Beteiligten offen und vor allem ehrlich und verlässlich zu führen. Ziel war es stets die Bürgerinnen und Bürger, politische Vertreterinnen und Vertreter, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Hilfsorganisationen, Vereine, Kirchen, ehrenamtlich Engagierte etc. und dazu über alle Generationen hinweg alle miteinander zu verbinden. Oftmals schwierig, da jeder natürlich seine eigenen Interessen vertritt und seinen eigenen Blickwinkel zu den einzelnen Themen hat, ist es fast immer der Kompromiss der zum Erfolg führt. Bei allen unterschiedlichen Belangen habe ich bisher jedoch immer eine sehr von gegenseitigem Respekt und Wertschätzung gefühlte Atmosphäre vorgefunden. Das waren und sind auch meine Hauptanliegen: gegenseitige Wertschätzung und Respekt.
machPuls: Worauf sind Sie im Rückblick besonders stolz?
Vehreschild: Dass wir gemeinsam in den vergangenen 14 Jahren alle Krisen und Katastrophen recht gut überstanden haben. Finanzkrise 2009, Flüchtlingskrise 2015/16, Coronakrise 2020, Unwetterkatastrophe 2021, Kriegsfolgen seit 2023 und auch heute wieder die Krise im Nahen Osten, die sich bis zu uns auswirkt. „Nebenbei“ hat sich die Stadt weiterentwickelt und wir haben gemeinsam vieles geschafft, angestoßen und auf den Weg gebracht. Ich betone hier ausdrücklich immer gemeinsam, weil mir alleine nichts von alledem gelungen wäre. Ganz persönlich rechne ich mir z.B. an, dass ich die Grundstücke für das Schulzentrum Nord sichern konnte und für Gewerbeunternehmen in Niederkassel Flächen zur Expansion bzw. zum Betriebserhalt vermitteln konnte.
machPuls: Worauf sind Sie weniger stolz?
Vehreschild: Dass nach 14 Jahren, in denen das Damoklesschwert der Haushaltssicherung über uns schwebte, es uns heute doch noch erreicht hat. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir jetzt auch eine große Chance haben, unseren Haushalt zu konsolidieren.
machPuls: Sie haben einmal gesagt, Bürgermeister sei der schönste Beruf der Welt. Sehen Sie das immer noch so?
Vehreschild: Definitiv. Die Begegnungen mit den vielen Bürgerinnen und Bürgern sind mir unvergesslich. Die zahlreichen Veranstaltungen und gesellschaftlichen Anlässe an denen ich teilnehmen durfte, gaben mir stets neue Motivation und Kraft für das Tagesgeschäft. Die Arbeit in den Organen und Verbänden hat mir immer sehr viel Arbeit aber auch ebenso viel Freude bereitet. Wer bereit ist intensiv Probleme anzunehmen, Freud und Leid zu ertragen und keinen 8 Stunden Job sucht, kann als Bürgermeister ein tolles Berufsleben erfahren. Ich habe keinen Tag bereut.
machPuls: Wenn Ihr Nachfolger Sie um einen Ratschlag bitten würde, wie könnte der aussehen?
Vehreschild: Jeder wird seine eigenen Schwerpunkte setzen und seinen eigenen Stil haben. Ein Bürgermeister ist in der Regel nicht in der Sachbearbeitung aktiv und ist daher eher im Management tätig. Deswegen kann ich nur empfehlen:
Zuhören!
Empathie zeigen!
Immer im Dialog bleiben!
Das gilt für alle Bereiche der Gesellschaft, der Politik, bei den Mitarbeitenden, bei jeder Herausforderung und es ist immens wichtig die Kolleginnen und Kollegen im Rathaus und den vielen Niederlassungen immer mitzunehmen!
Vernachlässige Deine Familie und Freunde nicht.
machPuls: Wie sehen Ihre Pläne für den Ruhestand aus?
Vehreschild: In den nächsten Monaten werde mich darauf konzentrieren meine Gesundheit wieder besser in den Griff zu bekommen. Meine Familie hat jetzt über viele Jahre auf mich und meine beruflichen Belange Rücksicht genommen. Jetzt möchte ich versuchen, dieses an mich gemachte Geschenk zurückzugeben. Meine Enkelkinder und somit die ganze Familie haben schon viele Pläne geschmiedet. Besonders mit meiner Frau, die mich all die Jahre immer unterstützt hat und auf vieles verzichten musste, möchte ich noch vieles unternehmen und genießen.